Zur Lage der Nation

Bemerkungen zur Sprache, Literatur, Kultur, Politik und

zu den Medien in Deutschland

Herausgegeben von Helmut Arntzen

 

Nummer 12 (Februar/März 2006)

 

  

  

INHALT: VON DER SPRACHE:Das Ende  deutscher Sprache und die Genese  deutscher Rede (ein Fragment) . VON DER POLITIK: Hampelmänner, Hampelfrauen – Parteitag . VON DER BILDUNG: PISA-Studien  -- Über die Rechtschreibreform, ihren Gewinn, die dummen Kerle und die Ewigkeit. VON DER LITERATUR: Shakespeare Sonett XVIII (übers. v. H.A.) – Vollmanns Romane. VOM FILM: The Jazzsinger – Geschichte als Film. VOM JOURNALISMUS: Phänomenologie des Journalismus II. VOM (EINSTIGEN) LEBEN: 1953.

  

  

VON DER SPRACHE

  

Das Ende deutscher Sprache und die Genese deutscher Rede (ein Fragment)

  

  

Gegenwärtiges

Im Vordergrund findet das tägliche Geschwätz statt: die Poltiker, die Gewerkschafter, die Unternehmer, die Medialen sagen, nun kämen die Rentenreform, die Steuerreform, die Gesundheitsreform,  die Arbeitsmarktreform, die Hochschulreform, die Rechtschreibreform, sie seien noch nicht genug gekommen, müßten endlich kommen, kämen nun. Wenn die Reformen alle geschehen seien, wären wir ein modernes Land und nähmen erfolgreich am Globalisierungsprozeß teil.

In der mittleren Szene sprechen die Historiker und einige Schriftsteller und die wenigen Philosophen, die wir noch haben. Sie sagen, wir trügen Schuld an vielem, seien aber nun ein demokratisches Land geworden, hätten natürlich wie viele andere Länder noch Probleme, aber könnten sehr zufrieden sein und wären in Europa wunderbar aufgehoben, in dessen Mitte wir nicht von ungefähr säßen.

Aus dem Hintergrund hört man noch das Gemurmel von einzelnen, das sich auf die Hitlerzeit und auf die Weltkriege und auf den Terrorismus und auf die Amerikaner bezieht. Es ist weder sehr deutlich noch immer sonderlich konsequent. 

Dann bricht die öffentliche Rede ab, was auch damit zu tun hat, daß diejenigen, die öffentlich und historisch denken,  dies nur  bis 1989 oder bis 1945 oder bis 1933 und manchmal neuerdings sogar  bis 1914 tun, wobei dieses Denken sich in dem ausdrückt, was „Der Spiegel“ oder „Der Stern“, die ja ein besonders inniges Verhältnis zur deutschen Geschichte haben, von diesen maximal 90 Jahren (von über 1000) schreiben und was das Fernsehen an Lauf- und Standbildchen zeigt, die sich aus Offiziellem und Zufälligem mischen, aber von Guido Knopp als Teil der Historiographie ausgegeben werden.

D.h. es gibt in Deutschland so gut wie niemanden unter denen, die sich öffentlich und laut regen, der fähig wäre, Zusammenhänge herzustellen zwischen der heutigen Lage der Nation und dem, aus dem diese Lage erwachsen ist. In den Zeitungen erscheint darüber nichts, im Fernsehen bis auf die genannten laufenden oder stehenden Bildchen schon gar nichts. Könnten wir  noch etwas spüren, so spürten wir, was es heißt, daß es fast keine klugen und streitbaren und öffentlich redenden Männer und Frauen mehr gibt, will sagen, daß sie zugelassen sind, sondern höchstens noch ein paar fleißige Eklektiker, die mal was von Benjamin und Adorno und Max Weber gehört haben, denn daß sie Kafka und Musil oder gar noch ältere Autoren selbst lesen, ist ganz unwahrscheinlich. Wir sind nicht mehr bloß im Fußball und in der Wirtschaft und bei den Reformen  unten angekommen, sondern vor allem im Kopf und in der Seele. Wie konnte das geschehen?

Der Historiker Wehler, einer der landläufigen Gesellschaftshistoriker, die gestern gebenedeit wurden und von denen man heute auch nichts mehr wissen will, erklärt das Ganze der europäischen Entwicklung aus der französischen Revolution und aus der englischen, nämlich der  industriellen. Und er weiß so genau, wie das ein Historiker weiß, daß die Deutschen zwar an der industriellen, nicht aber an der politischen Revolution teilgenommen hätten. Daß es  ganz besonders in Deutschland  Literatur, Musik, Kunst, Architektur, Philosophie, Wissenschaft gab, interessiert ihn anscheinend nicht, er sagt so gut wie kein Wort in seinem „Werk“ („Deutsche Gesellschaftsgeschichte“) darüber. Hätte er es getan, er würde das lässiger als die Marxisten als Überbauphänomen erledigt haben. Früher noch, gleich nach dem Kriege und bis in die sechziger Jahre hinein fand man in dieser sehr bedeutenden geistigen Überlieferung sogar die Ursprünge der politischen Katastrophe, denn schon bei Luther und im Rotkäppchen habe man die blinde Verehrung  des Autoritären mit Händen greifen können.

Alles habe zum deutschen Sonderweg geführt, den wir nun endlich verlassen hätten. Aber daß die Gemeinsamkeit der Demokraten und mit den Demokratien uns Frieden und Wohlstand für alle Zeiten sichere, ist seit spätestens sechs  oder sieben Jahren als der Schwindel offenbar geworden, der er natürlich immer war. Nun gilt längst Timons Devise „Schief ist alles“. Und weder Regierung noch Parlament noch Gewerkschaften, Kirchen, Verbände, Intellektuelle wissen trotz oder wegen der unablässigen öffentlichen Rede, wie es wieder gerade werden könne, wiewohl es in der Tat alles mit dem Zustand der öffentlichen Rede nicht nur, sondern mit dem der Rede überhaupt zu tun hat.

Wie diese Rede gegenwärtig beschaffen ist, erkennt man an den Auslassungen des Philosophen Sloterdijk, der zunächst einmal der einzige deutsche Philosoph ist, der sich noch öffentlich bemerkbar macht. Und das in einem Land, das wie kein anderes seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sich am Sprechen der Philosophen orientierte. Nur fand sie nicht als Interview in Vorläufern des „Spiegel“ statt, wo man sie jetzt zur Kenntnis nehmen kann (Der Spiegel 35/2004. S. 122-125). Charakteristisch für diese Philosophenrede ist das ständige Nebeneinander von Richtigem und Albernem, das dadurch zustande kommt, daß die ganze Rede nicht nur plauderweis daherkommt, sondern auch methodisch eine Plauderei ist. Der Philosoph sieht, daß „eine der materiell und mental reichsten Nationen aller Zeiten“(S.122) – wobei  ‚mentaler Reichtum’ im Gegensatz zum ‚materiellen’ keine Zustandsbeschreibung, sondern eine Vergangenheitswertung ist – „einer permanenten verdrießlichen Selbstagitation zum Opfer fällt“: Das ist wahr, soweit es die Reaktion auf Hartz IV und Verwandtes meint, Unsinn, wenn es sich polemisch gegen Reflexionen wendet, in denen sich auch nur Andeutungen von Nachdenken darüber zeigen, wieso denn der plane, staatsversorgte Wohlstand  nicht immer weiterlaufe. Aber Geplauder verhindert von vornherein ‚nachhaltiges’ Denken, zumal ja die  Prämisse Sloterdijks nachdrücklich die ist, daß „Aufklärung über Aufheiterung“ ‚laufe’, eine These, deren  Unrichtigkeit  natürlich an jeder Form von Aufklärung zu demonstrieren ist, die sich bspw. mit den Ursprüngen des kalten Krieges, der Nazizeit, der Weltkriege beschäftigt. Hier geht es, plauderweis, nur  um Rechtfertigung der eigenen Denkweisen. Wie kurios sich solche Art von Denken schon auf den Interview-Partner auswirkt, zeigt die Bemerkung Sloterdijks, daß „kein Volk gewöhnlicher sein“ könne , „als die Deutschen es heute sind“(S. 123), wobei die Ambiguität von „gewöhnlich“ dazu führt, daß sich der Philosoph in die Nähe der herrschenden Historiographie mit ihrer Vorliebe für europäische Anpassung plaudert, während  Herr Matussek vom „Spiegel“ „gewöhnlich“ versteht als die plebejische Selbstdarstellung der heutigen Deutschen. Und so gut die Bemerkung ist, daß „die Altersgruppe, die jetzt  in Stellung ist“ (‚Amalie ist jetzt bei Geheimrats in Stellung’), „die verwirrteste Generation der deutschen Geistesgeschichte“(S.123) sei, wobei das Resultat dieser Verwirrung vollkommene Dummheit ist, nämlich intellektuell und sensitiv,  so wenig hält die Bemerkung in Sloterdijks Geplauder Stich, wenn wenige Zeilen danach, ein Teil der Verwirrtesten, nämlich die Regierung, plötzlich als die „neuen Ungemütlichen“ (S.124) gelobt werden, die die Reformen betreiben, während der ‚gemütliche’ Kohl ja sicher von Sloterdijk auch nicht einer Gruppe der Verwirrtesten zugerechnet würde.

  

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Die Mitte des 19. Jahrhunderts 

Kurz, Plauderer können nicht argumentieren, sondern eben nur plaudern. Seit das Geschäft des Denkens in Deutschland  mehr und mehr an die Plauderer delegiert wurde, von denen Nietzsche einer der ersten war, während die ernsthaft Reflektierenden als Abseitige disqualifiziert wurden, haben die Deutschen sowohl das Gehen auf Sonderwegen verlernt wie auch den aufrechten Gang auf den genehmigten Hauptwegen. Ihre Zweit- und Drittrangigkeit  beginnt nicht erst seit Schröderfischer, sondern viel früher, nämlich dort, wo sie sich en masse vom Deutschen als der „tiefsten Sprache“ zum Deutschen als der „seichtesten Rede“(Karl Kraus) gewendet haben , also sagen wir ganz grob: seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist nun wirklich so, daß Benjamins Anthologie bürgerlicher Briefe mit dem Jahr 1854 einen zeitlichen Einschnitt erfährt, der einmal  und mit lediglich zwei abschließenden Briefen erst nach 25 Jahren fortgesetzt wird, dann aber auch nicht von ‚Reichsdeutschen’, sondern von einem Schweizer (Gottfried Keller) und einem ‚Auslandsdeutschen’ (Franz Overbeck), der in St.Petersburg geboren und seit seinem dreiunddreißigsten Lebensjahr bis zu seinem Tode in der Schweiz tätig war. Einer der letzten von Deutschen geschriebenen Briefe dieses Buches datiert von 1847 und hat den Chirurgen Dieffenbach zum Verfasser. Es ist eine Art offener Brief, den er bei Gelegenheit der 25. Wiederkehr seiner Promotion verfaßt hat, nicht, um deren Feier anzukündigen, sondern um anzuzeigen, daß er den Tag „in aller Stille und Einsamkeit genießen“ wolle. Und schon vorher spricht er davon, daß „eine Art von Sehnsucht nach stiller Einsamkeit“ ihn an diesem „ganz allein“ für ihn „wichtigen Tage“ (Deutsche Menschen. Eine Folge von Briefen. Frankfurt a.M 1962. S.98) bestimme. Den Chirurgen, der  diese „Sehnsucht“ hat, müßte man heute so sehr suchen wie jeden, der an vergleichbarer Stelle steht. Da findet man schon eher den, den „Johann Sebastian Bach doch [sein] ganzes Leben begleitet hat“,  sich dann aber  zum 65. Geburtstag von Sponsoren mit einer Geldtasche von 100,000 DM bedenken läßt. Aber diese Unterschiede sind noch gar nicht der Kern dessen, um das es geht.  Denn der wahre Unterschied soll ja aufgefunden werden in der Differenz von „tiefster Sprache“ und „seichtester Rede“. Nicht als ob der kleine offene Brief schon ein Zeugnis „tiefster Sprache“ wäre, aber er ist einer, der noch  die sublime Beiläufigkeit dieser Mitteilung so respektabel wie anrührend faßt, wobei dies nicht bloß ein stilistischer Akzent bleibt, sondern damit gleichzeitig etwas Verbindliches über das Verhältnis von öffentlicher Wirksamkeit und „stiller Einsamkeit“ als notwendigen Komponenten eines ganzen Lebens gesagt wird. 

Deutlicher noch als in den  Briefzeugnissen wird der Unterschied zwischen Sprache und immer seichterer Rede natürlich in der Literatur. Denn zwischen 1850 und 1880 dominiert trotz Adalbert Stifter, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer und Wilhelm Raabe, von denen nur der letzte nicht aus den Randgebieten des Deutschen stammt, die Phalanx des Mittelmaßes, sei es ‚poetischer’ Diktion (Geibel, Heyse, Scheffel, Bodenstedt, Wilbrandt), sei es realistischer (Freytag, Spielhagen, Rosegger, Dahn, Anzengruber). 

Statt dessen werden nun in Deutschland  technische Erfindungen in großer Fülle gemacht und ausgewertet. Alfred Krupp erfindet 1853 nahtlose  Eisenbahnräder, Goebel 1854 die elektrische Glühbirne, Siemens 1856 den Doppel -T-Anker, Reis 1861 den Fernsprecher, Otto 1862 seinen Motor. So geht es weiter. Und die Unternehmen, die diese Erfindungen fruktifizieren,  stehen schon bereit (Krupp, Siemens) oder werden nun gegründet. Auch setzen Naturwissenschaftler wie Helmholtz, Bunsen, Virchow, Kirchhoff, Niemann und tutti quanti mit großen Erfolgen das Zeitalter der Entdeckungen fort.

Das sind  nur allzu bekannte Dinge, aber was sie bedeuten, was sie für die Deutschen bedeuten, ist damit keineswegs  schon bekannt. Das große Land inmitten von Europa, politisch wegen der Vielzahl seiner souveränen Staaten allenfalls ein Ensemble von Mittelmächten, durch Preußen allerdings mit dem nicht einmal immer dominanten Ehrgeiz, eine europäische Rolle zu spielen, dieses Land gibt mehr und mehr seinen Sonderweg auf, der dies ganz und gar nicht ist im Sinne unserer Historiker, sondern dessen, was man landläufig und ungenau den Weg einer Kulturnation nennt, und paßt sich dem technischen Tatsachenfortschritt an und auch dem politischen Fortschritt im Zeichen liberaler Demokratie. Daß letztere trotz der Stadtrepubliken, trotz Konstitutionen, trotz eines erstarkenden Bürgertums scheitert, ist nicht so sehr einem politischen Unverständnis und preußischer Militärautokratie zuzuschreiben, sondern der (verspäteten) Großmachttendenz, die einigermaßen Schritt halten will mit England und Frankreich und keine Zeit mehr hat, sich erst einmal demokratischer Institutionen zu versichern, um auf deren Basis an dem (nicht von ihm angestoßenen) europäischen Imperialismus teilzuhaben. Solche Tendenzen, die nicht eigentlich die Bismarcks, sondern eher die seiner nationalliberalen Gegner sind, die er sich zu Freunden machen muß,  gedeihen aber einzig darum, weil die Deutschen der philosophischen, literarischen, aber auch musikalischen Orientierung an der Sprache abschwören und dem kruden Pragmatismus aus Technik und Kommerz sich zuwenden, den unsere Historiker, zusammen freilich mit politischem Pragmatismus, von ihrem Lande erwarten. Gleichzeitig wird unter dem Einfluß jenes Mittelmaßes und der Zeitung eine ‚höhere’ Sprache und ein ‚gepflegter’ Stil verbreitet, der die Krudität sich durchsetzender pragmatistischer Alltagsprosa rhetorisch cachieren soll.

Wie zentral hingegen die wahrhaft sprachliche Orientierung Deutschlands war, ergibt sich nicht nur aus so handgreiflichen Befunden wie der Wissenschaftssprache Deutsch im 19. Jahrhundert, sondern aus dem außerordentlichen Interesse der intellektuellen Schichten in fernen Ländern (Amerika, Japan, Rußland) an diesem sprachlich imprägnierten Deutschland wie auch in europäischen Ländern, insbesondere  den kleineren, national bewegten. Nicht das nun technisch und kaufmännisch erfolgreiche Deutschland suchte man ja auf, sondern das der klassisch-romantischen Epoche, der man dann auch die Gelehrten zurechnete, die manchmal in der Tat sich noch der ersten Hälfte des Jahrhunderts zugehörig , aber natürlich  auch schon zu jenem Fortschritt  sich hingezogen fühlten, der das Jahrhundert zum äußerlich erfolgreichsten der Neuzeit gemacht hat.

  

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Exkursorischer Rückblick auf das 17. und 18.Jahrhundert 

Nicht das Betreten des politischen Sonderwegs, das die Historiker beklagen, sondern das Verlassen eines anderen, sprachlich geprägten steht am Anfang des Elends der Deutschen. Die hatten doch noch nach dem Ende der Religionsquerellen des 16. und 17. Jahrhunderts, die ja ganz tief durchprägt waren von der protestantischen Frage nach dem „Wort“, obwohl sie dann europäischerweise sich als pure Machtkämpfe austobten, die Deutschen hatten immerhin nach 1648, ausgepowert und ausgeblutet, noch einmal  den islamischen Osmanen fast ausgeliefert, wieder in der Gefahr, unter die Fuchtel Frankreichs zu geraten, die erstaunliche Kraft, Städte und Schlösser wiederaufzubauen, neu zu bauen, selbst in winzigen Residenzen kulturelle Zentren zu schaffen, Musik und Malerei, die eine von Welt-, die andere von europäischer Geltung,  hervorzubringen und zwischen 1620 und etwa 1730 eine Literatur zu produzieren, die sich nicht damit begnügte, nur den rhetorischen Strukturen der Renaissance und  des Barock zu entsprechen,  sondern die mit Gryphius und Grimmelshausen, mit Paul Gerhardt, Fleming, Angelus Silesius und Johann Christian Günther  Autoren hervorbrachte, von denen nicht nur ein paar Barockforscher in Lohn und Brot gesetzt werden sollten. 

Wenn es darauf zum neuen Atemholen  nur ganze 20 Jahre  brauchte, welche Jahre mit den folgenden von dem, so sagt man,  Menschenschinder und Militärautokraten Friedrich, einem Aufklärer und Aufgeklärten, mitbestimmt wurden, und es dann zur größten Epoche unserer Literatur und Philosophie zwischen ca 1750 und ca 1850 kam, obwohl die Zeit von all den Pressionen zwischen dem Siebenjährigen Krieg  und der Metternichschen Restauration geknebelt war, dann muß man freilich schon einer der zeitgenössischen Ignoranten sein, um darüber einzig mit beiläufigem Gemurmel  hinwegzugehen und lediglich das Fehlen des Parlamentarismus aufs innigste zu beklagen. Was ist das für ein unvergleichliches Namensregister, das mit Klopstock beginnt und mit Eichendorff endet, das mit Kant und Hamann beginnt und mit Schelling endet! Aber was wissen die heutigen Deutschen davon? Was wissen sie von dem eben wiederentdeckten Alexander von Humboldt, bei dem ihnen schon der Bruder Wilhelm und sein Sprachdenken nicht einfällt und dessen „Kosmos“(1845 - 1862 erschienen) im ersten Band bereits einen Satz enthält, mit dem sie bei allem Respekt überhaupt nichts anfangen können: „Hochbeglückt dürfen wir den nennen, der bei der lebendigen  Darstellung des Weltalls aus den Tiefen der Sprache schöpfen kann, die seit Jahrhunderten so mächtig auf Alles eingewirkt hat...“  Auf Alles! Sie aber verstehen nichts von allem, da sie jene Sprache unverständlich finden. Längst  haben sie sich ja an ein Gekauder gewöhnt, das aus einer Melange von Medien- und  Jugendjargon, angereichert von etwas Basic English, besteht, einer Melange, die selbst aus einer dürftigen Alltags- und pompösen Festtagsrhetorik hervorgegangen ist, wie sie zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der ersten des 20. im Schwange war. Wie soll aus den gegenwärtigen Mündern, den Blättern, dem Internet, dem Theater, dem Kino, dem Fernsehen noch ein Satz hervorgehen, der Material eines Gedankens, eines Verses werden könnte ? Und wie soll ein Volk weiterbestehen, das gedankenlos  geworden ist und nicht allein darum sich keinen Vers  mehr machen kann? 

Und das damalige Volk? Es lernte die Sprache von Industrie und Wirtschaft, die Sprache der Politik, die Sprache popularisierter Wissenschaft, vor allem lernte es die Sprache der Zeitung. Es hatte gerade eine Revolution gemacht, in der die Tat triumphierte und das Wort verabschiedet wurde, aber es ist damit gescheitert, weil es eine wiederholte Revolution war, was schon fragwürdig genug ist, und eine fremde dazu. 

  

Wagner und Nietzsche

Es bereitete sich nun darauf vor, Publikum des Wagnerschen Musikdramas zu werden, in dem das Wort transzendiert wird bzw. sich wieder zum Mythos zurückverwandelt, von dem es sich doch  (auch in der Musik) emanzipiert hatte. Die Revolution ist schnell zur Farce geworden. Das Musikdrama sorgt für die Mythisierung der revolutionären Tat und der ‚Fachsprachen’im germanisierenden Stabreim . Unter diesem Mythisierungsschleier können die ‚Fachsprachen’ als Jargons sich ausbreiten und vor allem die neue Gemeinsprache. Die ist nicht mehr die Sprache der Literatur, sondern es ist die der Zeitung, in der die Welt ein Ensemble von Tatsachen, besser von Nachrichten, und ein Ensemble von beliebigen Meinungen wird, was von der Zeitung das Objektive und das Subjektive genannt wird. Die Zeitung domestiziert und kategorisiert das Stimmengewirr, das durch den Gebrauch der Jargons entsteht, das Musikdrama mythisiert es.

Wir finden wie häufig in der deutschen Geschichte nicht nur ein Nebeneinander, sondern  eine Gemeinsamkeit von äußerlich Fernstehendem. Wagnersches Musikdrama und ‚die Blätter’, stabreimendes Gelall und rhetorische Geläufigkeit lullen ein und lassen den literarischen wie den philosophischen Gedanken immer dürftiger werden.

Können wir aber nicht auf den Riesen Nietzsche verweisen, der der Philosophie und der Literatur gleichermaßen genügt? Durchschaut er nicht den Idealismus als Gespinst aus Denkspielen und die Literatur als Säckinger Trompetenschall nicht nur, also als Provinzveranstaltung, sondern als moralischen Trompetenschall, der den Willen zur Macht  zu übertönen versucht, aber natürlich scheitert. ? Weiß er nicht nach anfänglichem Irren, daß der Wagnersche Schall nur die Funktion des Einlullens hat, dem aufrüttelnd die scharfen Klänge der „Carmen“ zu konfrontieren sind?  Aber wohin will er ? Er philosophiert mit dem Hammer, während das Wort, dem er doch als Philosoph und als Schriftsteller sich  verpflichtet fühlen müßte, ihm nur „die Abbildung eines Nervenreizes in Lauten“ ist. Verächtlich blickt er auf Begriff und Metapher, Grundkategorien der Sprache, herab, an die zu glauben er einen Irrtum nennt.Aber abgesehen von seinem Irrtum,derlei Erkenntnisse mit Wahrheitsanspruch  vorzutragen, obwohl sie wie alles ganz und gar sprachlich sind, bleibt ihm nur die Sprache als Wirkung, als Rhetorik und Propaganda, als Machtmittel. Seine Kritik löst sich in solcher Perspektive auf, die eben doch in Richtung der Macht- und Gewalttendenzen des 20. Jahrhunderts deutet, obwohl er nicht wußte,  mit welcher totschlagenden Trivialität die auftreten würden, die statt des philosophischen Hammers den Hammer militärischen, politischen und wirtschaftlichen Handelns führen würden und  deren Anhänger diese Leistung mit offenen Mündern und dem Bekenntnis „Ein Hammer“ begrüßen sollten.Unsere musikdramatischen und philosophisch-literarischen Wächter an der Grenze zum 20. Jahrhundert  machen zwar auf die Dialektik der Aufklärung aufmerksam, aber sie wollen nicht sprachliche Wege in die Zukunft bahnen, sondern einlullende und hämmernde Wirkungen erzielen, was ihnen auch prächtig gelang. Und ist nicht der „artistische Stil“, den Nietzsche empfiehlt, bereits die Apologie eines Teils des Journalismus, den er doch gleichzeitig als „permanenten blinden Lärm“ verspottet.?

  

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Von der  zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Ersten Weltkrieg

Deutschland mangelt es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchweg an jenen, die das Erbe der ersten Hälfte nicht nur verwalten (was mit wissenschaftlicher Akkuratesse geschieht), sondern auch weitertragen und weiterdenken konnten. Und während noch in dessen ersten Jahrzehnten ein Bismarck immerhin versuchte, politische Pragmatik und sprachliches Denken in Beziehung zueinander zu setzen, wird Deutschland im letzten Jahrzehnt  von einer Gestalt repräsentiert, die bereits mit der wirkungsvollen Rede des ihm wenig vertrauten Nietzsche Ernst zu machen trachtet. Dieser Empereur beherrscht die Sprache in seinen oft und gern gehaltenen Reden, die er in allen Varietäten vom schieren Hau-drauf-Appell bis zur Predigt des summus episcopus traktierte, kein Dummkopf, sondern wie sein schrecklicher Nachfolger alles mögliche aufnehmend und kommentierend. So sind seine kaiserlichen Reden ebenfalls Klitterungen von allem möglichen, ständig sich und die Seinen affirmierend, ständig die anderen des eigenen Volks und der weiteren Völker Europas in Grund und Boden donnernd. Sprache ist für ihn nur dazu da, imperiale Geste zu sein. Noch wenn er irgendwo in der Provinz zur Besichtigung heranreitet, droht er den hurrarufenden Knaben, die sich - immerhin - zwischen den Pferden bewegen: „Ihr macht mir ja die Pferde scheu !“ Sprache ist dazu da, um dazwischen zu fahren: bei den kleineren Souveränen, bei den Ministern, aber auch beim Volk. Das ist die Weise, wie in Deutschland um die Jahrhundertwende kritisches Sprechen verstanden wird. Und obwohl längst nicht alle Deutschen mit dieser Suada einverstanden sind, kommt es kaum zu einer entschiedenen und sprachkritischen Auseinandersetzung mit des Kaisers Programm von den herrlichen Zeiten: etwas hämisches Getuschel in den Couloirs, Überbrettl, „Simplizissimus“, das ist schon das meiste. 

Harden scheint dann der Mann zu sein, der weiter geht. Aber in welcher Richtung? Er sorgt  für die Abstrafung der sogenannten Kamarilla um den Fürsten Eulenburg, die den Kaiser auf schlimme Art politisch beeinflusse und außerdem, so läßt er durchblicken, auch noch homosexuell sei. Und diese Vorwürfe präsentiert er in einem Stil, der dem architektonischen und bildnerischen Historismus entspricht und den Kritiker eher in die Nähe als in den Gegensatz zum Kaiser rückt. Einzig der Wiener Karl Kraus bemerkt das Schiefe, ja ganz Problematische dieser Art von Kritik, die mit der Sprache nur als wirkungsvollem Apparat hantiert, aber nicht aus ihr und ihrer Argumentation sich herstellt.

Die Literatur hatte schon seit den Fünfzigern diesen Apparat bedient, indem sie sich damit abfand, für das kommende zweite Reich, das alsbald als Wilheminisches sich herausstellte, die Ornamente bereitzustellen. Anstelle von Autoren wie  Balzac und Zola oder gar Flaubert,wie Dickens und Thackeray,wie Gogol, Turgenjew und Dostojewskij, rücken Heyse, Gustav Freytag, Scheffel, Storm  und Spielhagen  an die erste Stelle, mit mal von sogenannter  Kulturhistorie, mal von Realismus geprägter Erzählprosa, gegen die Gottfried Keller, Stifter  oder manches von Raabe nicht viel ausrichten können. Jenes breitet sich weiter aus in der „Gartenlaube“ und in „Über Land und Meer“. 

Die Deutschen affirmieren zwar nicht das Neue in Industrie und Technik, aber noch weniger kritisieren sie es oder nutzen es für die Satire. Sie gucken weg  und lesen sich in eine Literatur und in Zeitungen ein, die pathetisch oder idyllisch  von dem sprechen, was in ihrer Mitte erscheint und geschieht. Selbst der kluge Fontane begnügt sich mit Vereinfachungen, die sich heute als angenehme Lektüre empfehlen, auch wenn es um die traurige Geschichte der Effi Briest  geht, die man in der Perspektive des alten Briest enden läßt: „Das ist ein zu weites Feld.“ Nun werden die Romantiker erst zu Romantikern, und die Klassiker werden Angelegenheiten Büchmanns. Literatur garniert das Leben, das manchmal traurig, aber nie häßlich sein darf. 

Das hört erst mit einigen Produktionen des Naturalismus ganz am Ende des Jahrhunderts auf. Natürlich mit Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“, den „Webern“, dem „Biberpelz“, mit einigem von Arno Holz, die vor allem darum wichtig sind, weil sich damit eine Literatur und damit eine Sprache melden,  die der herrschenden Prosa entgegentreten, und zwar, wie bspw. leicht am „Biberpelz“zu zeigen ist,  sowohl der energischen und dreisten, die in den Äußerungen des Kaisers triumphiert, wie  der ‚heimatverbundenen’ der einfachen Leute, die besonders geeignet scheint, die Gegenwart angenehm zu machen. Es ist vor allem der Beginn einer Literatur - und das macht ihre Modernität aus -, die das Einverständnis mit der Epoche aufkündigt, und zwar von den gegensätzlichsten Seiten aus: als Erbe des Symbolismus bei George und Rilke, als Expressionismus, bei Wedekind, Sternheim, Kafka, Karl Kraus, die alle nicht nur Ausdruck dessen sein wollen,  von dem sich die literarische Rezeption abwendet, sondern die auch diese Rezeption  als verhängnisvolle darstellen. Bei einigen, so etwa bei Rilke, scheint der Rezeption noch die Anpassung an das zu gelingen, was sie für Dichtung, Kultur, Tiefe hält. Auf ganz anderem Felde war dieser Versuch über Jahrzehnte  mit dem Pessimismus  der Buschschen Knittelverse gemacht worden, die als „Perlen deutschen Humors“ von der bürgerlichen Kultur seit Ende des 19. Jahrhunderts aufgenommen wurden. 

1888 erscheint der 59. Band von „Über Land und Meer“. In der ersten Nummer werden im Annoncenteil u.a. angeboten Panzerkassen, Dampframmen, Nähmaschinen, Waffen, also was das späte 19. Jahrhundert bereits an Industrieprodukten hervorbringt. Daneben Fleischextrakte, Schweizerpillen  gegen Kongestionen, Schwindelanfälle, Arzneiweine und Cacao als Ausweise des modernen Lebens. Eine Seite weiter  wird eine Novelle von Paul Heyse fortgesetzt, von der der Verlag sagt,  der Leser begegne darin „Schilderungen von höchstem poetischen Reiz und Vorgängen von fesselndstem Interesse“. Die Fortsetzung beginnt: „,Verzeihung, Herr Graf, daß ich einer so freundlichen  Einladung nicht habe widerstehen können`“, sagte der junge Deutsche. „,Doch habe ich der Frau Gräfin schon gelobt, morgen in aller Frühe dies gastliche Dach wieder zu verlassen. Es ist nun wohl auch Zeit, mich vorzustellen.´“ 

Auf drei Seiten verbinden sich Reklame für Industrieprodukte und ‚moderne’ Lebensmittel,  eine Waschzettelprosa, die das Poetische mit dem Interessanten mischt, und eine Erzählprosa, die fast ausschließlich aus Klischees besteht („nicht habe widerstehen können...schon gelobt,...in aller Frühe dies gastliche Dach wieder zu verlassen. Es ist nun wohl auch Zeit...“). Industrieproduktion, Konsum, Reklame und (poetische) Redensarten vermengen sich zu einer seltsamen Mischung, in der die Sprache  völlig Unterschiedliches so garniert, daß es ebensogut als Hyperbel der Reklame wie als „poetischer Reiz“ auftreten kann, der selbst wieder nichts als eine Aneinanderreihung von Redensarten ist. Hier begegnet bereits das Material eines Bewußtseins, dem Sprache nur der Apparat ist, durch den das tägliche Leben präsentiert und gleichzeitig ‚verschönt’ wird. Es ist nicht vorstellbar, daß auf diese Weise Literatur und Denken möglich werden. Alles steht so fest wie die Dampframme einerseits und die redensartliche Konversation der Novelle, die sich ja nicht als Satire präsentiert, sondern einen Teil des „poetischen Reizes“ ausmachen soll.

Literatur und Denken ziehen sich in die Sprache zurück und werden wirkungslos. Die Tatsachen triumphieren, vor allem als man in den Krieg zieht, der zum Ersten Weltkrieg sich ausweitet. Er ist das, was in den ersten Kriegsjahren von den Zeitungen als „große Zeit“ beredet wird, weil in ihr die Taten und die Tatsachen sprächen. „Wer Taten zuspricht,“ sagt in diesem Augenblick Karl Kraus, „schändet Wort und Tat und ist zweimal verächtlich. Der Beruf dazu ist nicht ausgestorben. Die jetzt nichts zu sagen haben, weil die Tat das Wort hat, sprechen weiter. Wer etwas zu sagen hat, trete vor und schweige.“  

  

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VON DER POLITIK

  

Hampelmänner, Hampelfrauen

  

Seit langem ist sich nahezu  das ganze Volk einig darüber, daß man außerordentlich wenig von den Politikern halten könne. Dennoch war man erstaunt, die völlige Blindheit oder  Uninteressiertheit gegenüber dieser Einschätzung in so drastischer Form zu erleben, wie es sechs Wochen nach der Wahl geschah.

Die SPD hat einen beliebten und akzeptierten Vorsitzenden. Der hat das Recht,  einen neuen Generalsekretär zu benennen. Das ist ein Vorschlag, der Verbindlichkeit haben muß, wenn er denn sinnvoll sein soll. Der Vorsitzende macht nun diesen Vorschlag, allerdings während eines Interviews mit dem „Spiegel“. Das mißfällt etlichen Vorstandsfunktionären, die ihn, der trotz seines Vorschlagsrechts über zwei Kandidaten abstimmen läßt, desavouieren, indem sie nicht seinen Kandidaten bestätigen, sondern eine Dame, die sich selbst ins Spiel gebracht hat, nominieren. Darauf tritt der Vorsitzende zurück. Nun verstehen die Aufständischen die Welt nicht mehr. So, sagen sie, hätten sie es doch nicht gemeint. Zwei Tage lang  völliges Durcheinander in der SPD, dann hat man einen  neuen Vorsitzenden gefunden. Die Generalsekretärs-Kandidatin aber, deren Kandidatur das Chaos ausbrechen ließ, wird bald danach, offenbar mit eigener Billigung, von einem anderen Kandidaten abgelöst.

Die CSU hat einen autoritären, aber geachteten Vorsitzenden. Der ist zu Beginn von Koalitionsverhandlungen der festen Auffassung, er müsse nicht nur in der Regierung sein, sondern müsse es als Wirtschaftsminister, der die Richtung der neuen Regierung wesentlich mitbestimme. Als der SPD-Vorsitzende seinen Rücktritt ankündigt, sagt der CSU-Vorsitzende, dadurch habe sich die Lage entscheidend geändert, er bleibe nun als Ministerpräsident in München. Er bietet  als Erklärung für seinen Rückzug an, Wirtschaftsminister könne er nur erfolgreich sein, wenn ein bestimmter Mann von der anderen Partei  auch in der Regierung sitze. Kurz darauf wird bekannt, daß eben dieser Mann, nun nicht mehr Parteivorsitzender,  dennoch in die Regierung gehen werde. Der CSU-Vorsitzende müßte nun wieder bereit sein, Wirtschaftsminister zu werden. 

Man bietet also der Öffentlichkeit  für das eigene Verhalten Erklärungen an, die in dem ersten Fall zeigen, daß sogenannte verantwortliche Politiker nicht bis drei zählen können. In dem anderen Fall sagt ein führender Politiker etwas ganz Unsinniges, das  überdies noch die eigene Inkompetenz herausstellt. 

Man kann daher nur schließen, daß jene Blindheit und Uninteressiertheit, mit der Politiker auf  ihre negative Einschätzung durch das Volk reagieren,  allein durch plane Dummheit zustande kommt. Sie wissen alle nicht mehr, was sie tun und was sie sagen.       

  

Parteitag

  

Die Vorgabe ist: Alles ist wichtig. Aber wichtig ist in Wahrheit nur, ob der designierte Vorsitzende ankommt,  wieviele Stimmen er erhält; vielleicht noch für’s Gemüt, wie sich die abtretenden Fürsten verabschieden. Kleine Sensationen sind schließlich die Stimmenreduktionen für Vorstände, die aus irgendwelchen Gründen abgestraft werden.

Und außerdem: Hin- und Hergerenne, Brötchen essen, Zigaretten rauchen (draußen), Zeitung lesen, Laptop traktieren, gähnen, schlafen, häkeln, während vorne jemand, dem man nicht zuhört, zum Antrag XY spricht, der niemanden interessiert und der nach der Veranstaltung in einem Aktenordner verschwindet. 

Schließlich: „Brüder zur Sonne,  zur Freiheit“, Bechern im Bus, Bericht im Ortsverein.

Neuer  Anfang? Alte Rituale: „Vertrauen in Deutschland“.

  

VON DER BILDUNG

  

PISA-Studien

  

Immer wieder beschäftigen die Öffentlichkeit sogenannte PISA-Studien, die darauf hinauslaufen, daß das deutsche Schulwesen in einem deplorablen Zustand sei. Kommt eine neue Studie, so wird festgestellt, daß, etwa seit dem Jahr 2000, immer noch nichts Reformierendes geschehen sei.  Jetzt sagt man z.B., es gebe nirgendwo sonst einen solchen Leistungsabstand zwischen guten und schlechten Schülern. Der werde durch soziale Differenz herbeigeführt. 

Gar nicht wird darüber gesprochen, daß man nicht erst seit dem Jahr 2000 über Mängel und Defekte des deutschen Schulwesens peroriert, sondern seit der Mitte der sechziger Jahre, also seit etwa 40 Jahren. Seitdem weiß man, woran die ganze Misere liegt, seitdem haben Pädagogen wie Herr von Hentig und Minister wie die Herren von Friedeburg und von Oertzen  und viele andere unzählige Reformvorschläge gemacht, seitdem hat es die tiefstgreifenden Reformen gegeben (u.a. Gesamtschulen, Oberstufenreform), seitdem ist es aber in der Realität immer schlimmer geworden. Woran mag das liegen?

Wohl doch daran, daß die behaupteten Reformen nur dazu geführt haben, die Standards zu senken,  die Lehrer zu Kumpanen zu machen, statt von ihnen ernsthaften Unterricht zu erwarten, Allotria zu treiben, in der Grundschule mit Spielereien sich die Zeit zu verkürzen und auf der Oberstufe  sich mit Pseudowissenschaft zu unterhalten, aber nicht dafür zu sorgen,  daß die Schüler das Einmaleins, das Lesen, die Rechtschreibung und eine Reihe von Lektüren und Kenntnissen sich aneignen, die für das Erlernen einer Beschäftigung, eines  Handwerks, für den Beginn eines Studiums unumgängliche Voraussetzung  sind. Dabei sollte ihnen auf  keiner Schulstufe verschwiegen werden, daß diese Aneignung durchweg Mühe und Arbeit erfordern, die für die meisten keineswegs angenehm, sondern eher plagend sind. Statt dessen wurde spielend nichts gelernt . 

Im Fernsehen wird  derweil u.a. vorgeführt, wie eine Gruppe von deutschen Schülern, weiß der Teufel warum, nach Schanghai transportiert wird, wo sie sich nicht genug  darüber wundern können, daß der Unterricht strikt, die Sportübungen am Morgen streng verlaufen und daß die abendliche Sperrstunde frühzeitig anbricht. Das alles gefällt den deutschen Schülern gar  nicht.Hat man sie etwa, damit sie das bemerken,  für viele tausend Euro nach Ostasien geflogen ?

Am selben Fernsehabend wird eine junge russische Primaballerina vorgestellt, die Arbeit und Disziplin als die wichtigsten Gründe für  ihren Erfolg darstellt.

Wir warten auf die nächste PISA-Studie. 

  

Über die Rechtschreibreform, ihren Gewinn,die dummen Kerle und die Ewigkeit

   

1. Die Rechtschreibreform hat  deutlich gemacht, wie dumme Kerle argumentieren.

2. Die Rechtschreibreform hat geklärt, woher die dummen Kerle kommen.

3. Die Rechtschreibreform hat  gezeigt, wie dumm die dummen Kerle sind.

4. Die Rechtschreibreform hat erkennbar gemacht, was Dummheit ist.

5. Die Dummheit der dummen Kerle ist unaufhebbar.

  

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  VON DER LITERATUR

  

            Shakespeare Sonett XVIII 

                     (übers. v. H.A.)

                                         für V. zur Hochzeit

  

                        Soll ich vergleichen dich dem Sommertag ?

Bist du nicht lieblicher, ans Maß gelehnt ?

                        Die Winde sind dem blüh’nden Mai ein Schlag.

                        Und Sommerlust hat allzu schnell ein End’.

  

                        Manchmal zu heiß brennt Himmels Aug herab.

                        Und manchmal ist das Gold des Glanzes keins.

                        Und alle Schönheit muß doch einst ins Grab

                        Durch Zufall oder Wechselspiel des Seins.

  

                        Doch wird dein  Sommer ewig dir bestehn.

                        Und deine Schönheit nie ein toter Text.

                        Kein Tod prahlt, daß du mußt im Schatten gehn, 

                        Wenn du im ew’gen Vers der Zeit entwächst.

  

                        Solange Menschen atmen, Augen sehn,

                        solange lebt er und läßt Leben wehn.

  

  

Vollmanns Romane

(Rolf Vollmann, Die wunderbaren Falschmünzer. Ein Roman-Verführer. Frankfurt am Main: Eichborn 1997)

  

Schon 1997 ist Rolf Vollmanns „Roman-Verführer“ „Die wunderbaren Falschmünzer“ erschienen, und man möchte glücklich darüber sein, daß jemand von der Romanliteratur als Literatur handelt und nicht die sozialgeschichtlichen, psychoanalytischen, dekonstruktivistischen Verrenkungen macht, die heute gängig sind, wenn einem ein literarischer Text vorgeworfen wird. 

Warum ist man dennoch nicht glücklich ? Der Klappentext behauptet, Rolf Vollmann könne man im Gegensatz zu Nachschlagwerken l e s e n, sein Buch sei „eine große Erzählung“, „eine Art Roman der Romane“. Das alles ist Unsinn. Vollmann hat ca 1000 Romane gelesen  (in welcher Zeit macht man das ?). Sie sind zwischen 1800 und 1930 erschienen. Man erfährt nicht, warum gerade diese Zeitspanne gewählt wurde, denn, sagt Vollmann, alle literaturgeschichtlichen und literaturtheoretischen Ein- und Abteilungen seien absurd. Worauf er seinerseits ein- und abteilt, nämlich chronologisch: von Jahr zu Jahr, von Jahrfünft zu Jahrfünft, also nach lustra (er erklärt, was ein lustrum ist).  Nach spätestens Zweidritteln des Buchs ist man es leid. Man möchte vorderhand nichts mehr mit Romanen zu tun haben.

  

1800 also fängt er an. Vollmann macht das so: Wenn er Lust hat, erzählt er  ein bißchen länger von einem Buch, hat er keine, sagt er vielleicht nur einen Satz dazu, und wenn er den Roman für schlecht hält, sagt er, er halte ihn für schlecht, etwa so, wie jeder mäßig begabte Zeitungsschreiber es bei seinen sogenannten Rezensionen  macht. Am Ende des ersten Kapitels verspricht er, er wolle nun „ordentlicher schreiben“, ohne die „vielen Fußnoten“(23), aber das sind natürlich diese etwas mühsamen Scherze. Es geht alles genauso weiter, wie es angefangen hat.

  

Die Jahre werden eingeleitet durch die Mitteilung darüber, wer von den Romanautoren geboren und gestorben ist. Es ist ein Register, das jeder Pedant sich selber zusammenstellen könnte. Da für Vollmann überdies die Gleichzeitigkeit von Geburt oder von Geburt und Tod oder von Tod gar nichts zu bedeuten hat, weiß der Teufel allein, was er damit machen soll. 

  

Dann kommen Grabschriften, Biographien, Anmerkungen, die alle ganz ähnlich sind und von dem sprechen, was Vollmann bei Gelegenheit eines Namens eingefallen ist. Das schreibt er auf und ergänzt es durch kurze und lange Fußnoten, die wohl als Jean-Paulische gelten wollen und alle mit kleinen Buchstaben beginnen. Innerhalb all dessen zitiert er aus Büchern das, was ihn schön dünkt. 

  

Wir kriegen eine Anzahl von Romanen angezeigt, die – wir müssen es glauben – zu Unrecht vergessen worden sind. Das kann sehr wohl sein, aber wir hören eben nur, daß es bewunderungswürdige Bücher seien, etwa die der George Sand oder die ganz dicken von Gutzkow „Die Ritter vom Geiste“ und „Der Zauberer von Rom“.

  

Er schreibt zu 1834: „Keiner stirbt auch jetzt wieder, wirklich schön.“ Oder zu 1835: „Wieder keiner stirbt, die Welt wird immer voller.“ Weiß einer, warum es „wieder keiner stirbt“ heißt, weiß einer, warum Sätze wie diese beiden in einem Buch stehen.

  

Warum muß Vollmann immer statt „Vater“ und „Mutter“ „Papa“ und „Mama“ schreiben? Sind das die kleinen wunderbaren Wiederholungs-Einfälle ?

  

Warum gibt er vor, neben seinen Eindrücken nur das Gesicherte zu publizieren, behauptet aber z.B.,1880 komme „in Klagenfurt, Sohn eines W a f f e n f a b r i k a n-
t e n“, Robert Musil zur Welt (559)? Auf welche seiner Angaben wird man sich da verlassen dürfen?

  

Warum muß man immer wieder Sätze wie diesen lesen: „Geboren wird in Hamburg, Sohn eines Polizeibeamten, Arno Schmidt; Heyse stirbt, Arno Schmidt wird geboren, das hat keinen Zusammenhang, das hat nichts zu bedeuten, nein, das ist bloß so, aber das auch wirklich“(856)? Was macht man mit einem solchen Satz, wer hat davon irgendetwas?

  

Und so weiter, und so weiter. Fast 1100 Seiten hat das Ganze. Schade. Im Impressum heißt es: „Erfolgsausgabe“.

  

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VOM FILM

  

The Jazzsinger

  

Das ist der Titel des ersten Tonfilms, (Fast-) Tonfilms besser von 1927, denn bis auf einen Dialog des Titelhelden mit seiner Mutter kommen nur die Lieder aus dem Munde des „Jazzsingers“. Über diesen Dialog wird berichtet, daß er mehr noch als jene Lieder die Herzen der Zuschauer ergriffen habe. 

Die Simulation der Realität wird darin bis auf die Farbe hergestellt, die aber, wie wir wissen, längst nicht einen Effekt wie der Ton hatte. Mit dem begann, womit Fotografie und Stummfilm nur zum Teil begonnen hatten, die Realitätskopie, als die sie der Zuschauer erlebte (s. dazu H.A., Ursprung der Gegenwart. Zur Bewußtseins-
geschichte der Dreißiger Jahre in Deutschland. Weinheim 1995, v.a. S. 33 – 68). Seither gilt bis zu den fiktionalen Fernsehproduktionen die Auffassung, was man sehe, sei keinesfalls nur Spiel, sondern Dokumentation der Realität.

Wie sich das auswirken sollte, zeigt bereits dieser erste Tonfilm auf eine frappierende Weise. Seltsam genug kommt der Jazzsinger, der Jakie Rabinowicz heißt, sich aber später Jake Robin nennt, aus einer jüdischen Kantorenfamilie. Der Vater Kantor kann nicht verstehen, daß Jakie, statt den jüdischen Gemeindegesang nach ihm fortzusetzen, eine Karriere im Showgeschäft wählt. Jakie aber ist der Ansicht, das eine sei so gut wie das andere, ja er habe die Pflicht, gewissermaßen Gott in der Show zu dienen. Zwar kehrt er nach langen Gewissensqualen noch einmal in die Gemeinde zurück und singt statt des todkranken Vaters im Gottesdienst und im Habit des Kantors das „Kol nidre“, und zwar so schön, daß der Vater beruhigt und versöhnt stirbt. Aber das ist ein einzelner Akt. Gleich danach kehrt er wieder auf die Bühne zurück, und beglückt hört ihm die Mamme im Zuschauerraum zu. 

Will sagen: Religion und Kommerz werden gleichgesetzt, ja mehr noch: der zum Kantor  befähigte Jakie wird als der Showstar Jake vom Film bestätigt. Damit affirmiert sich der Film als Teil des Showgeschäfts selbst und liefert gleichzeitig die authentische Darstellung der Realität. Was in den USA sich natürlich längst durchgesetzt hatte: der Kapitalismus, wird  im ersten Tonfilm ideologisch überhöht: Man kann im religiösen Ritual Gott dienen, aber wer das Zeug dazu hat, kann  nicht allein, sondern muß  als „Jazzsinger“  auf die Bühne und den Kommerz so als göttliche Kraft verherrlichen. 

  

  

Geschichte als  Film

  

Hannes Heer, der seinerzeit die Wehrmachtausstellung plante und zusammenstellte, kritisiert in einem Buch „Hitler war’s. Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit“ (Berlin: Aufbau 2005) u.a. die Fernsehfilme Guido Knopps  über führende Figuren der Nazi-Zeit. Heer wirft Knopp „Vulgärpsychologie“vor. Über die vor allem wichtigen gesellschaftlichen Zusammenhänge sagten seine Filme nichts.

Dies ist ein Beispiel unter vielen für eine fast sinnlose Diskussion über Historie, insbesondere die der Nazis, im Film. Es wird so getan, als könne der Historiker, wenn er sich denn durch dokumentarische Filme ausdrücke, wie der schreibende Historiker sein Material so oder so ordnen. Soweit er das tut oder es zu tun versucht, geht es bei dem mit dem Filmbild operierenden Historiker immer und von vornherein um Manipulation, die nicht durch eine eigentümliche Bildsprache vermieden werden kann.

Denn das Material, das als Stand- oder als Filmbild zur Verfügung steht, ist historisch nichtssagend. Es ist es im Fall der Nazis und in analogen Fällen zunächst darum, weil die Mehrheit des Materials in Bildern besteht, die allein eine propagandistische  Funktion haben oder doch haben sollen. Es bedarf einer außerordentlichen Findigkeit, in der Wiederholung von  bspw. siegreich voranstürmenden Männern, Panzern, Flugzeugen ein Bild, eine Bildsequenz zu finden, die von etwas anderem sprechen als vom siegreichen Sturm. Die fotografischen und die filmischen Bilder sind kein Medium, das für die historische Reflexion den Platz ließe, den mündliche oder schriftliche Dokumente selbst dann lassen, wenn auch sie propagandistische Zwecke verfolgen. Das Bild ist viel enger als ein Satz.

Darin ist schon das zweite Moment der historischen Bedeutungslosigkeit des fotografischen Bildes eingeschlossen. Denn  für die Fotografie wie für den Film gilt, daß sie für die Historie, die sie doch, wie es heißt, festzuhalten besonders berufen sind, als Bilder so gut wie nichts leisten. Darum kennen wir  historisch nennenswerte Aufnahmen nur als Ausnahmen, meist sind es gar arrangierte Szenen, die im Sinne der Historienmalerei einen bedeutenden Moment fixieren. Das fotografische Bild ist im allgemeinen, was die Militär- und Kriegshistorie angeht, austauschbar. Ob Soldaten siegreich oder sieglos stürmen, sieht gleich aus. Ob Panzer in der Schlacht A oder B vorrücken, sieht gleich aus. Ob Flugzeuge ihre Bomben über London oder über Berlin lösen, sieht ebenfalls gleich aus. Wichtiger aber noch ist, daß von den entscheidenden Augenblicken in politischen Gesprächen und Verhandlungen, von den historischen Ereignissen und vor allem ihren Wirkungen so gut wie nichts gezeigt werden kann. Man sieht sich begrüßende, am Verhandlungstisch sitzende Diplomaten oder Staatsmänner, man sieht sie eine Ehrenfront abschreiten, man sieht das Äußere, also Irrelevanteste eines historischen Vorgangs.Daraus kann man weder etwas erkennen noch etwas lernen. 

Schließlich fehlt es z.B. für die Biographie von historisch agierenden Personen  an Bildern. Auch Stalin und Hitler haben als kleine Jungen, kleine Leute angefangen, für die sich kein Fotograf, kein Kameramann interessierte.

All solche mit einem überdies  in jeder Hinsicht sehr beschränkten Bildmaterial, das sich maximal auf ein Jahrhundert reduziert, operierenden Darstellungen überhaupt als Teil der Geschichtsschreibung zu betrachten befestigt in den Köpfen der Zuschauer nur die absurde Gewißheit, sie sähen etwas, wenn sie etwas sehen. 

  

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VOM JOURNALISMUS

  

Phänomenologie des Journalismus II

  

„Genau sechs Minuten vor vier - “ hieß es in einem journalistischen Bericht, dessen Thema nicht in Rede steht. Denn die Formulierung ist das Thema.

Es ist sozusagen eine fixe Formulierung, die sich in analoger Weise ständig wiederholt.

‚Heute, genau auf den Tag vor dreizehn Jahren oder vor sechs Wochen oder zehn Tage vor dem Jahresende’ – es sagt alles  das gleiche: nämlich nichts. Aber es rechnet auf Wirkung. Die Eingeschworenheit aufs Tatsächliche  läßt sie einerseits Ereignisse auch zeitlich „genau“ bestimmen. Dieses Tatsächliche ist aber als solches bedeutungslos.Nur solange, sagen wir, die „neunte Stunde“ etwas bedeutet, lohnt es sich, davon zu sprechen. Weil sie aber programmatisch nur das Tatsächliche haben, das nichts bedeutet, müssen sie es steigern, indem sie in absurder Genauigkeit vor ihre Zeit-Nachricht die Vokabel „genau“ setzen. Die sagt zwar auch nichts, aber sie schafft den Eindruck,  die Zeitfeststellung sei etwas Sensationelles : das gesteigerte Tatsächliche nämlich.

So ist die Rede der Journalisten. Sie haben nichts zu sagen. Aber sie sagen das Nichtige so, als sei es eine Offenbarung. „Es war der 13. Mai 1917, als drei Hirtenkindern im portugiesischen  Ort Fatima die Jungfrau Maria erschien [Tatsache!].G e n a u 64 Jahre später  fielen auf dem Petersplatz in Rom die Schüsse, die Johannes Paul II. fast das Leben gekostet hätten [Steigerung]“. (Westfälische Nachrichten 14./15.Januar 2006)

  

VOM (EINSTIGEN) LEBEN

  

1953

  

Die erste Sendung der Arbeitsgemeinschaft Funk: eine Diskussion über das Thema „Kunst an der Leine“. Vorher sei es sehr hitzig gewesen, aber die Sendung habe sich „höchst manierlich und liebenswürdig“ angehört. Wer höre so etwas?

Nachricht von der Verhaftung neuer Nazis. Manchmal notiere man das, aber es gebe zu viele. Die Engländer hätten verhaftet, die Bundesregierung habe nur noch Zeit für Kommunisten.

  

Kafka-Erzählungen, dann „Der Prozeß“. Vorher  von Benn „Ausdruckswelt“, in der es „herrlich knappe Stücke“ gebe: „Pallas“ wird hervorgehoben.

Der Lebensweg des amerikanischen Schriftstellers  Scott Fitzgerald: „Versuch, Leere durch Rausch zu füllen“.

Der französische Film „Casque d’or“ sei „bezwingend großartig gewesen“.

„Der Prozeß“ zu Ende. Vieles sei ungeheuerlich, anderes dunkel. Das Kapitel „Im Dom“: „diese völlig einhüllende Dunkelheit, in der die Gespräche zwischen K. und dem Kaplan“ geschähen .

Nietzsche „Morgenröte“ begonnen. Anreiz dazu seien Benn und die Vorlesung von Löwith. Die sei anfangs „so nüchtern-glanzvoll“ gewesen, jetzt sei sie „zu locker“, auf einmal rede er nur. 

  

Kurzes Gespräch über Astrologie. Unter den „Kulturträgern“ gebe es wahrscheinlich viele, die zur Astrologie tendierten. Sie werde als „Religionsersatz mit wissenschaftlicher Evidenz“ genommen, der „Spielraum für verschwommene Spekulationen“ lasse.

  

Kleines Konzert: Bachkantate und zwei Orgelkonzerte. Heidelberg habe in diesem Semester sehr wenig dergleichen gebracht.

  

Anfang März, wieder in D., wird vom Gehirnschlag Stalins geschrieben: „Welche Wandlungen mögen geschehen?“ Dann wird sein Tod notiert, daß der Papst für ihn gebetet habe und daß die westlichen Regierungen „ ihr tiefes Mitgefühl“ ausgesprochen hätten. 

  

Werner Fincks Auftritt mit seinem Ensemble „Mausefalle“. Er sei „ohne Zweifel unser bester Kabarettist“.  „Er hat Witz, die anderen machen Witze“.

  

Mit L. Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ laut gelesen. Es überrage das bisher von ihm Gelesene bei weitem. In unserer KWV sei der „Hauptmann von Köpenick“ gelesen worden. Beim lauten Lesen erschließe sich ein Text ganz anders. Ich hätte zwei Sachen von Benn bekommen, darunter neue Gedichte. Benn habe mehr zur wirklichen Lyrik beigetragen als ein oder zwei Gedichte.

Im Alltag gebe es immer mehr „Verkümmerung, Verzwergung“, das Mittelmäßige werde „übergreifend“. 

  

Die Bücherei der Kupferhütte, in der ich arbeite, soll am 1. Mai eröffnet werden. Mitte April, heißt es,  höre ich dort auf. 

Von einem KWV-Fest wird berichtet, das „nett arrangiert und langweilig-munter“ gewesen sei.

  

Rückkehr nach Heidelberg. Einige der bekannten Gesichter wieder gesehen, das Spiel der kleinen Intrigen hebe wieder an, die mir viel zu unbequem seien und „mit so furchtbar vielen Leuten verbunden“. 

  

Wolfgang Fortner habe ein Sinfoniekonzert geleitet, Hoelscher sein Cellokonzert gespielt: das sei trocken und einfallslos im ganzen, nur der zweite Satz habe etwas ésprit. Man merke die Mühe, die sie sich beim Komponieren geben.

  

Lektüre des „Wilhelm Meister“: mit „merkwürdig großem Interesse“ und „viel beständiger, genauer als so manches, so vieles Moderne“: „Wie angenehm und richtig“ sei die „Umständlichkeit und das Ausführliche“. Genauso freue mich die Johnson-Biographie Boswells. Unmengen an Gescheitheit und Gespür seien bei den großen Geistern der Aufklärung. Ein Johnson stehe uns in vielem näher als der ganze Rousseau. Von Plattheit sei keine Spur, wohl aber manche Beschränktheit. 

  

Der Film „Pläsier“ von Max Ophüls nach drei Geschichten von Maupassant. Sehr viel Musikalisches: eine Suite in drei Sätzen, der Mittelsatz ein Scherzo „von einer fabelhaften Graziosität und Delikatesse“.

  

Ausflug zu Pfingsten mit M.W.  zum Stift Neuburg, wo es ein glanzvolles Pontifikalamt gegeben habe. Hinterher habe uns Frhr. Wamboldt durch  einige Räume des Klosters geführt.

Ansonsten: ich müsse bis Anfang Juni ein Referat fertig schreiben. 

  

Schloßtheater in Schwetzingen. Leute im bunten Wollkleid, Leute im grauen Straßenanzug mit Monokel seien herumgelaufen, was in dieser festlichen Umgebung weh tue. Aufführung der „Ariadne“: die Oper sei sehr glücklich, bis auf das letzte Viertel, wo Strauß die Disziplin vollständig verlasse und er wieder in einem Klangbrei wühle. Durch den Text sei aber hier die „schönste Möglichkeit gegeben“. 

  

Nach schwierigen Wochen  wieder mehr Ruhe. Unruhen in Berlin und in der „Ostzone“. Es sei noch völlig unklar, „wie die Gewalthaber auf diesen Ausbruch reagieren werden, d.h. über die Augenblicksreaktion, die natürlich Verteidigung ihrer Existenz ist, hinaus“. 

  

„Daß es bei jeder künstlerischen Gestaltung wenig auf die Mittel, vor allem aber auf die Art ankommt, wie man sie einsetzt, am Beispiel eines Films ganz deutlich. Gute Ansätze, aber im Grunde private Weitschweifigkeit und Wehwechen. Man wollte ehrlich sein, aber das allein tut es nicht. Man muß diese Ehrlichkeit nicht ausplauschen , sondern formen und aussagen. Das Private ist der Feind der Kunst.“ [Es war wohl der Bergman-Film „Abend der Gaukler“]

„Mit Heiterkeit und Erhebung“ werde die Lektüre eines Buches beendet, des „Blauen Kammerherrn“ von Wolf von Niebelschütz.

  

Am Ende des Semesters und der Heidelberg-Zeit Versuch eines Resumees: „Ein junger Mann…“

  

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Im September wird berichtet, daß die Freundin und ich mit einem „kleinen Motorgefährt“ zu einer mehrwöchigen Fahrt aufbrechen. Es gehe zuerst durchs Ruhr- und durchs Vollmetal, über Brügge, Kierspe und Meinerzhagen. In Lautenbach an der Aggertalsperre zum ersten Mal Station. Das Wetter sei unbeständig, es werde gelesen und Schach gespielt. Die „bunte Kerk“ in Lieberhausen mit „interessanten Fresken“ aus dem Jahr 1589.

Zweite Etappe: kleine Reparaturen in Derschlag. Über kurvenreiche Strecken nach Waldbröl, die Straße sei sehr gut gewesen. Weiter nach Kroppach im Westerwald. Dort Spaziergänge über Wiesen , übersät mit Hyazinthen. Am nächsten Tag  über Marienberg und Rennerod nach Weilburg, „das uns sehr gefiel“. „Ein fast italienischer Himmel über diesem bezaubernden Anachronismus aus winkligen Gassen, engen Häusern, pompösem Rathaus und dem aufs  beste konservierten Schloß. Mit einem so vorzüglich gepflegten Park…Natur als Geometrie, ein beruhigender Anblick.“

Weiter in Richtung Taunus. Hier habe sich das Zeitalter der EVG mit Stahlhelmen, Feldgrau und Panzermanövern bemerkbar gemacht. Wir seien bis Anspach gekommen, weiter zur Saalburg gefahren, dann Zimmersuche, die in Gonzenheim bei Bad Homburg geendet habe. Nachmittags sei es zur Radinspektion in Frankfurt gegangen, der Frankfurter Verkehr sei unbeschreiblich gewesen. Abends großer Bummel durch die Stadt. „Es grellen überall Lichtreklamen, so viele, daß kaum noch Platz für weitere ist. Geschäft an Geschäft, Geschäftsstraße an Geschäftsstraße.“ Am Tage  in den Großen Hirschgraben: trotz Antipathie gegen derartige Rekonstruktionen sei der Eindruck eines Patrizierhauses vollkommen gewesen. Weiter in Richtung Aschaffenburg: Halt in Groß-Welzheim in einer kleinen Pension gleich am Main. Am nächsten Tag nach Aschaffenburg, dessen einstige „gedrungene Schönheit“ nur noch ahnbar sei; das Schloß sei eine „traurige, zerborstene Ruine“, die kleine Rokokokirche „Unserer lieben Frau“ dagegen entzückend, die Stiftskirche viel düsterer, dennoch leuchtende Tafelbilder des 15. Jahrhunderts, mächtige Epitaphe und ein Bronzebaldachin von Peter Vischer, ein überlebensgroßes Holzkreuz streng und starr. Anschließend noch das Aschaffenburger Museum  mit dem „großartigen Kapitelsaal“: ein Rubens und ein Rembrandt werden hervorgehoben. Weiterfahrt nach Heimbuchenthal im Spessart. Das Märchenschloß in Mespelbrunn: auf dem Schloßhof „döselte ein Hund“. Das Schloß werde noch bewohnt, und zwar von den Nachfahren der fürstbischöflichen Familie Echter. 

Waldspaziergang: über  Philosophie im allgemeinen und die Logik im besonderen,  über Adelsprädikate und deren Bedeutung. Entschluß, noch einige Tage hier zu bleiben, und von hier aus nach Würzburg und Rothenburg zu fahren. Nach Wertheim am Main: Blick vom Bergfried auf ein „mildes, flußdurchzogenes Land“. Auf der Hinfahrt ein Wolkenbruch, darum Flucht  ins Wirtshaus im Spessart. 

Dann die große Fahrt  über Rohrbrunn, Marktheidenfeld, Karlstadt, am Main entlang nach Veitshöcheim. Das bezaubernde Wetter und der graziöse Park werden erwähnt und das Lustschloß mit einem kleinen Treppenhaus von Balthasar Neumann. Weiter nach Würzburg, das wir uns viel trauriger vorgestellt hätten. Von einer leichten, beschwingenden,hellen Atmosphäre wird gesprochen. Unendlich vieles sei zerstört, aber vieles gebe es noch, gebe es wieder. Die Augustinerkirche, das Haus zum Falken, der Turm der Marienkapelle, die Farbigkeit des Marktes werden erwähnt, der Theaterprunk des Neumünsters, die Strenge des Doms, den man noch nicht wieder betreten könne, schließlich die Residenz, die mit einem Concerto grosso von Händel verglichen wird: das Treppenhaus, das Fresko des Tiepolo: so könne der Mensch sich darstellen, so sei er unbesiegbar. Die Säle, insbesondere der Kaisersaal. Weiter nach Rothenburg. Das Stück bis Ochsenfurt sei eines der schönsten der bisherigen Fahrt gewesen. Kurz vor 7 Uhr seien wir vor dem Würzburger Tor angekommen und hätten rasch ein Quartier gefunden. Nach dem ausgezeichneten Nachtmahl unter den Laternen durch die kleine Stadt. Am nächsten Morgen am Kaisersaalportal, in der Jakobikirche mit dem Heiligblutaltar, „eigentümliche, reizvolle Durchblicke. Großartige und kuriose Fassaden“, ein Teil der bayerischen Staatsgemäldesammlungen  mit dem Fourmentporträt von Rubens, dem Chodowieckiporträt von Graff, einem „prachtvollen Kopf“ von Menzel . Über den Wehrgang zurück zum Würzburger Tor und nachmittags Rückfahrt durchs Taubertal. Die Fahrt bis Weikersheim sei  nur schön gewesen. Nach der possierlichen Residenz in Mergentheim, nach Taubersbischofsheim und Miltenberg durchs Maintal zurück nach Heimbuchenthal. 

Ein paar Tage später  bei freundlichem Wetter zum Odenwald. L. sei von einem überholenden Auto gefährlich an den Straßenrand gedrängt worden. Durch Darmstadt und Übernachtung bei Mainz. Am nächsten Morgen eine Dampferfahrt mit der „Köln“ im „Wetterglück“ bis Aßmannshausen. Fahrt am Rhein entlang bis Koblenz mit Kaub, der Lorelei, St. Goarshausen. Koblenz sei langweilig, traurig, provinziell erschienen. 

Ganz anders sei die Mosel erlebt worden mit Karden, Klotten und Cochem. Wir seien in Bruttig, „einem alten, guten Moselweindorf“, gewesen. Wunderbare Herbsttage werden gerühmt. Das Wetter als Rahmen für „ein entzückendes, winziges, verqueres und verschachteltes Stadtbild: Beilstein“; „der Himmel leuchtete und das Land prangte“.

Weitere Rückfahrt durch die Eifel und das enge Ahrtal, über Euskirchen nach Lechenich, wo Kardinal Frings zur Firmung empfangen wurde. Bei scharfem Oktoberwind heimwärts. 

  

Zu Beginn des vierten Semesters in Köln. Seit ein, zwei Wochen sei Musils „Mann ohne Eigenschaften“, „dieses Kompendium, dieses Unding, dieses strenge Gewucher“, „Interessenmitte“. W. Emrich, der bisher in Göttingen gelehrt habe, habe hier eine a.o. Professur bekommen und mit seiner Vorlesung über Dichtung seit dem Naturalismus begonnen, die „Kafka gewidmet und sehr einsichtig war“.

  

Nach langer Zeit zwei Konzerte an einem Tag: neue Flötenmusik von Hindemith und Martinu und in der Ursulabasilika ein geistliches Konzert,geradezu ein evangelisches, mit einer Kantate von Tunder auf den Text des Reformationsliedes „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’“

  

Im Musil die beiden Kapitel über den Großschriftsteller, die „in unheimlicher Weise prägnant und genau“ seien. 

Vorträge zweier alter Männer[?], auf ganz anderen Ebenen als den uns gewohnten stattfindend: „das gab beiden den Hauch des Komischen und Fernen“.

Dreyers Jeanne d’Arc- Film von 1928 mit der Falconetti. „Er gehört zu dem, was alle Distanz plötzlich erledigt und ganz ursprünglich ergreift“. Kritik als Erkenntnis des Großen sei eine Last gegenüber der Kritik des Ordentlichen und Mittleren. 

Im Autobus sei es zu Theaterabenden in Düsseldorf, Aachen und Bochum gegangen.

  

Besuch bei Dr. W., einem Lehrer, den ich seit dem Abitur nicht mehr gesehen habe. Er fühle sich als Mann auf verlorenem Posten, habe Neigung zur östlichen Geistesauffassung. 

  

Nacheinander Corneilles „Cid“ und Becketts im gegenwärtigen Jahr uraufgeführtes „Warten auf Godot“. Der „Cid“ sei eine erledigte Angelegenheit, keine Tragödie. Becketts Stück sei die Tragödie der Tragödie: die beiden armen Schlucker erführen kein Schicksal mehr, aber der eine von ihnen überschaue seine Situation. Es sei ein Stück wie Kafkas Romane.

  

Das erste Buch von Musils „Mann ohne Eigenschaften“ zu Ende. Für Ulrich gehe es darum, ein Lebensziel zu finden oder mit dem „Unmöglichen“ Ernst zu machen. Dieses „Unmögliche“ stehe immer im Gegensatz zu dem, was ist, und dem, was sein müßte.

„Der komische Gedanke, man betreibe heute jedes Geschäft in verkehrter Richtung wie eine Armee, die mit unsäglicher Anstrengung gegen Luft ficht, während der Feind im Rücken sich gemütlich ausbreitet.“  So stehe es z.B. mit den Bemühungen um Arbeitszeitverkürzung und Freizeitgewinnung. Die „furchtbare Freizeit“ setze dem Menschen viel mehr zu als strengste Arbeit. Er sei ihr ausgeliefert, und sie biete ihm nichts anderes als Langeweile. Catch-Kämpfe und der Film rette ihn im Augenblick noch, „aber auf die Dauer  müsse er dazu übergehen, sich oder andere auf raffinierte Weise zu quälen“. 

  

Man jage nach und jammere um „umfassende Antworten“, wo sei der Ruf nach der „umfassenden Frage“?

Die Leute sähen weder traurig noch niedergeschlagen aus. Sie hätten sich an die Situation gewöhnt. Den Zustand der Gleichgültigkeit empfänden sie nicht  als Druck. Sie seien vielleicht nicht zufrieden, aber sie wollten nichts anderes. 

  

Fräulein V., die zu unserer KWV gehört, habe mir ein Aufsatzthema gezeigt, mit dessen Behandlung sie nicht zurechtgekommen sei. „Geben Sie anhand einiger Beispiele aus der Literatur das in ihnen gezeichnete Bild des Menschen.“ „Und dabei leuchtet der Stolz des Erfinders noch aus diesem Unsinn.“

  

In der theaterkritischen Übung wird der Autor von „Gattenmord“ Rehberg gebeten, nach der gemeinsam gesehenen Aufführung  sich über seine Kritiker zu äußern. Er habe sich in Verbalinjurien des Kritikers Schulze-Wellinghausen gefallen. Das habe nichts mit Wissenschaft, mit Kritik, mit Polemik, auch nichts mit Theater und Dichtung zu tun. Keinerlei Versuch, richtig und genau zu diskutieren.

  

Von zwei Ausgaben einer Katakomben-Zeitschrift „Zwischen den Kriegen“ wird gesprochen. Es werde darin „Finismus“ gelehrt, was, wie es heiße, eine konsequente Weiterführung des Tendenzexpressionismus deutscher und des Formalismus französischer Herkunft sei. 

  

Der Film „Bis fünf nach zwölf“ [erste dokumentarische Hitler-Biographie] sei umstritten und  verboten worden. Warum? Vielleicht wolle man bald beweisen, daß die Nazis „doch gute und große Leute“ gewesen seien. „Dieser Spuk, diese Klein-Moritz-Diktatur, dieses Grauen ohne Größe; dieses kleinbürgerliche Austoben: nur Fresse, nur Fresse, und die Goldplomben zeugen von Wohlhabenheit. Klavier mit Häkeldeckchen – und der Lampenschirm aus Kopfhaut.“ Der Dramatiker Rehberg habe erzählt,  daß er  einem englischen Vernehmungsoffizier mitteilte, die vergangenen Jahre hätten Shakespeare’sche Größe gehabt.

Der Film zeige an ein paar Bildern auch, wer dieser Hitler war: die Inkarnation des arrivierten Kleinbürgers.

  

Wieder eine Theaterwoche. In Essen Wagners „Tristan“. „Widerwille, ja Ekel vor dem musikalischen Kauderwelsch.“

Im Contrakreis in Bonn  eine „zerfasernde Angelegenheit“ von Mauriac . Wieder werde private Drangsal mit Tragödie verwechselt.

In Aachen  Strindbergs „Totentanz“. Darin wolle man über die private Sphäre hinaus. Das gelinge zwar nicht, aber die Einsicht sei da.

In Düsseldorf schließlich Thomas Wolfes „Herrenhaus“ in der Inszenierung von Gründgens. Melancholie und Pessimismus bestimmten dieses Stück  und Tapferkeit. Den „Hamlet“ gebe Ulrich Haupt ganz ohne Moquanterie. Gründgens als dessen Vater sei „ein wenig zu differenziert“. Das Stück habe „bravouröse und große Partien“ gehabt . 

  

Spaziergang mit L.: Betrachtung der „schönen neuen Welt“. Der Gottesdienst protestantischer Version sei Blasphemie.(Kierkegaard habe das längst besser und mit deutlicher Begründung gesagt.) 

  

  

  

Nummer 11 (Sept./Okt.2005) s. Archiv

  

INHALT: VON DER POLITIK: Vor den Wahlen. VON DEN ACHTUNDSECHZIGERN: Schnibbens Achtundsechziger. VOM TÄGLICHEN LEBEN: Automobilkunde. VON DER SPRACHE:  Das Sprachdenken Martin Heideggers    Sprache und Mediensprache II–Öffentliche Rede:Sprachdenken/ Politische Rede/ Mediensprache. VOM JOURNALISMUS: Phänomenologie des heutigen Journalismus I. VON DEN KIRCHEN: An einen kirchlichen Rundfunkbeauftragten. VOM (EINSTIGEN) LEBEN: 1952.

  

Die Nummern 1 – 11 s. Archiv  

   

s. Register der Nummern 1 – 10 von „Zur Lage der Nation“, hrsg. von Helmut Arntzen.

 

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